Die Bildhauerin Bärbel Schulte Kellinghaus hat sich im Lauf ihrer Karriere bereits des Öfteren mit dem Totenschädel auseinandergesetzt. Neben den damit verbundenen kunsthistorischen Referenzen bietet ihr der Schädel ganz konkrete bildhauerische Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Sie muss gleichzeitig mit dem unsichtbaren Volumen und dem sichtbaren Rest eines Menschen argumentieren und kann dabei Momente größter handwerklicher Präzision schaffen.

In ihrer für das IKOB entwickelten Aktion ASYL FÜR EINEN SCHÄDEL überschreitet sie jedoch bewusst Grenzen, die sie bis zu diesem Zeitpunkt immer in Kauf genommen hat. Sie wagt den Schritt in den Außenraum überraschenderweise genau zu dem Zeitpunkt, in dem der Schutzraum des Museums zur Artikulation freier demokratischer Diskurse immer wichtiger wird. Auf dem Parkplatz des Museums setzt sie ihre Skulptur einer anderen Realität aus – der Realität der Straße, die andere Gesetze, Narrative und Wahrnehmungsweisen kennt als das Museum.

Im Kofferaum ihres eigenen Kastenwagens liegt der marmorne Totenschädel – schutzlos und damit extrem selbstbewusst zeigt er uns, dass die Kunst uns am Ende immer an das Letztgültige an sich erinnert – die Unausweichlichkeit des Todes. Die Künstlerin schafft mit ihrer Arbeit das nahezu Unmögliche, denn sie wandelt das historische memento mori in ein zeitgenössisches und höchstaktuelles Statement.

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Ausstellungsansicht, Barbara Schulte Kellinghaus, Carrara IV/VIII, 2017, © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst