Auf Einladung von Henrike Naumann, deren Ausstellung WESTALGIE vom 24.01-16.04.2023 im IKOB zu sehen ist, zeigt die in Brüssel und Berlin lebende Künstlerin und freie Produktionsdesignerin Merle Vorwald ihr Projekt Dauergloss.

Die Arbeit Dauergloss (2023) setzt sich aus einem Drehbuchfragment und der digitalen Narration GGG-HQ (Ging nicht, geht nicht, geht doch Headquarter), (2019-2023) zusammen. Sie ist eine Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in Deutschland nach 1945 – als Kontinuität zwischen 3. Reich, BRD und rechter Realität der Gegenwart sowie als prägendes Element der eigenen Familiengeschichte. Aus einem Archiv von historischen Dokumenten, autofiktionalen Texten, Erinnerungsfragmenten, visuellen Texturen, GIFs und gefundenen Tweets spinnt GGG-HQ eine digital erfahrbare Narration – ein Novum der Erinnerungskultur. Oberflächen und Texturen aus Erinnerung und Gegenwart begleiten die Narration, fragmentierte faschistoide und bewegte Bildwelten sind düstere Einschläge in einer hysterisch-post-popkulturellen Farbwelt.

Merle Vorwald nahm hierzu die Biografie ihres Großvaters, eines Alt-Nazis, der auch in der BRD an seiner rechtsradikalen Ideologie festhielt, und das Aufwachsen in direkter Nähe zu ihm als Ausgangspunkt einer künstlerischen Recherche über drei Generationen. Sie selbst sagt über diese Arbeit: “GGG-HQ ist für mich eine Recherche wie ein perfekter Besuch im Nagelstudio: ein bisschen schmerzhaft, unendliche personalisierte Farbpaletten und als Ergebnis ein Schutzschild, mit dem man jeden Tag unaufgefordert repräsentiert.” Lackierte Nägel navigieren nicht nur durch die Erzählung post-deutscher Realität, sind das schrille Echo von Recherche und ihrer digitalen Normalität, sondern kennzeichnen Vorwalds Erkenntnis der Notwendigkeit eines familiären Bruchs durch die vermeintlich dissoziative Handlung des Nägel Lackierens.

Der Text Dauergloss ist ein Drehbuchfragment, welches aus drei Episoden besteht und die Betrachter:innen auf eine imaginäre Tour durch drei westdeutsche Szenarien (Atmosphären) mitnimmt. In dieser Tour werden Aufarbeitung und Erinnerung mit visuellen Elementen verwoben. Die Schreibarbeit versteht sich im dringenden Prozess der Selbst- Übersetzung und wird in Deutsch und Englisch entwickelt.

MERLE VORWALD (*1980, Deutschland) ist eine Künstlerin und Produktionsdesignerin. Sie lebt in Brüssel und Berlin. Ihre künstlerische Praxis artikuliert sich in fiktionalen Texten, Rauminstallationen und Online-Plattformen. Durch poetische Verdichtung baut sie reduzierte Präzision; ihre visuellen Kontexte schaffen absurde Schönheiten aus glänzenden Camp Materialitäten und deren Unvollkommenheiten. Damit erkundet sie historische Randfiguren, das inhärent Politische im Autobiografischen und untersucht das Potenzial der Fragilität in kollektiven Arbeitsstrukturen. Als Produktionsdesignerin artikuliert sie eine ästhetische Position zwischen Arthouse-Film, Videokunst und kommerziellen Produktionen in der deutschen Filmindustrie. Sie interessiert sich für die Spannung und den Humor, den diese Gegenpole erzeugen können, und nutzt diese für ihre Designarbeit. Ihre Arbeit ist immer kollaborativ und oft mit Belgien verbunden. 2022/ 23 nimmt sie am Postgraduierten-Programm apass [Advanced Performance and Scenography Studies] in Brüssel teil.

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Ausstellungsansicht, Merle Vorwald: DAUERGLOSS, © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst, Foto: Lola Pertsowsky