Die Stimme erheben, das ist so biblisch wie revolutionär. Der alttestamentarische Gott ruft seinen Propheten Jesaja damit zur Bekehrung des sündigen Volkes Israel auf und Nichtregierungsorganisationen motivieren zu Unterschriften für Petitionen. Die Stimme, die sich erhebt, ist die unterdrückte Stimme, die Stimme, die aufbegehrt, die Stimme des Protests. Eine Stimme erhebt sich selten allein. Sobald sich eine Stimme erhebt, werden zumeist auch andere Stimmen laut. Es bilden sich Chöre, in die wir einstimmen können, die wir bejubeln können, die wir aber auch ausbuhen oder sogar mundtot machen können. So zeigt sich die Stimme als ein wesentliches Mittel der Selbstorganisation, das seine Kraft zwischen Politik, Gesellschaft und Körper entfaltet.
Die eingeladenen Kunstschaffenden verhandeln und erproben die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Stimmungen und den Stimmen einzelner Menschen. In Eupen – der Stadt der Sänger:innen– wird die Stimme auf viele Arten und Weisen genutzt, aber selten so, wie David Helbich, Edyta Jarząb und Jo Caimo es vorschlagen. Von der klassischen Komposition kommend, hinterfragt David Helbich Situationen aus unserem gesellschaftlichen Zusammenleben mit musikalischen Mitteln. Die Aktivistin Edyta Jarząb trainiert Frauenstimmen für den Protest und setzt sich dabei kritisch mit einer Kultur auseinander, in der die Stimme der Frau noch allzu oft auf niedere Tierlaute oder die verführerischen Gesänge der mythischen Sirenen reduziert wird. Der bildende Künstler und Musikinstrumente-Erfinder Jo Caimo bringt Fremde zu einem spontanen musikalischen Kollektiv zusammen, das zum Nachdenken über Gruppendynamiken in der Musik und zwischenmenschliche Beziehungen im Allgemeinen anregt.

Programm
Samstag

Workshop 1 - Edyta Jarząb – The revolution will not be amplified
14 – 17 Uhr
Die Revolution wird nicht an den Verstärker angeschlossen, die Produktionsmittel sind in der Hand der Macht, je unde-mokratischer sie ist, umso lauter können wir sie hören. Dies sind die Grundannahmen der Aktivistin Edyta Jarząb. Davon ausgehend wird sie im Workshop versuchen das zu verstärken, was normalerweise von öffentlichen Stimmmustern ausge-schlossen ist, die Stimme derjenigen, die nicht an der Macht teilhaben. Den Schwerpunkt wird sie im Kurs auf horizontale Beziehungen legen und dazu im Kurs die Stimmpraktiken der Occupy Bewegung - Human Microphone genannt - auf der Grundlage von Deep Listening Methoden der amerikanischen Komponistin Pauline Oliveros vermitteln.
Jarząb geht dabei folgenden Fragen nach, die Kern und Antrieb ihrer Arbeit sind. Wie kann das Zuhören zur Stärkung des sozialen Widerstands beitragen? Wo liegt die Macht des "schwachen Widerstandes", einer gewaltfreien protestierenden Präsenz?
Zu den Übungen gehören das allgemeine Aufwärmen von Körper und Stimme, rhythmische und stimmliche Improvisatio-nen zu zweit und in der Gruppe sowie das Verstehen der Geräusche, die im Raum mit anderen Resonanzkörpern erzeugt werden.
Die Workshopsprache ist Englisch und die Anzahl der Teilnehmer:innen ist auf 25 begrenzt. Daher bitten wir um Anmeldung unter info@ikob.be. Der Workshop dauert 3 bis 4 Stunden.

Workshop 2 - Jo Caimo – Koorvorming
18 – 19 Uhr
Koorvorming ist eine Veranstaltung, bei der es auf Ihre aktive Teilnahme ankommt. Sie sind eingeladen, einer vorab aufgenommenen Stimme nachzusingen, diese Stimme bildet dabei die Partitur, die über eine Reihe von individuell angefertigten Kopfhörern übertragen wird. Die Teilnehmenden haben verbundene Augen. Über einen Kopfhörer hören sie auf einem Ohr die Partitur, während das andere Ohr mit einem Ohrstöpsel verschlossen wird, sodass sie beim Singen nicht wissen, was um sie herum passiert. Aus dem Moment der Isolation bildet sich ein akustisches Gesamt-erlebnis, das die Teilnehmer:innen jedoch erst später hören können – und zwar auf einer noch vor Ort hergestellten CD, die unmittelbar nach der Aufführung an alle Singenden verteilt wird.

Sonntag
Workshop 3 - Edyta Jarząb – The revolution will not be amplified
14 – 17 Uhr
siehe Workshop 1

Workshop 4 - David Helbich – Eupen Tracks
14 – 18 Uhr
Der Workshop konzentriert sich auf die Frage, inwieweit sich Kunst und künstlerische Eingriffe als Angebot an das Publikum begreifen lassen, selbst und eigenverantwortlich aktiv zu werden. Mithilfe von Mini-Performances begeben sich die Teilnehmer:innen auf einen regelrechtem "Trip". Räumliche, akustische, sowie soziale Phänomene werden gemeinsam auf ihr Potenziale für alternative Aktionsspielräume hin untersucht. Der erste Teil des Workshops gilt der Übung: Zunächst werden die Sinn- und Denkmaschinen der Teilnehmenden „aufgewärmt“, indem zwischen „Wände anschreien“ und ultra-leisem Musizieren abgewechselt wird. Im zweiten Teil gehen Sie zusammen mit David Helbich durch Eupen und erfahren die Stadt einmal ganz anders - mit Kopfhörern und MP3-Playern. Grundlage dieses Rundgangs ist der Audio Guide “head and phones, land and scape, night or day, all one shape”. Zum Schluss versuchen Sie eine alles umfassende Frage zu formulieren, die den Workshop und den Moment der Selbstermächtigung des Individuums auf den Punkt zu bringen versucht.
Die Workshopsprache ist deutsch. Die Zahl der Teilnehmenden sollte 20 nicht überschreiten. Da die Gruppe sich auch durch unwegsameres Gelände bewegt, wird das Mitbringen festen Schuhwerks angeraten.

Workshop 5 - Jo Caimo – Koorvorming
18 Uhr – 19 Uhr
siehe Workshop 2

Pressemitteilung als Download hier erhältlich

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Die Kuenstlerin Edyta Jarzab bei einer Demonstration, Foto: Urszula Szymanska

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Jo Caimo, Koorvorming, 2017, Performace, Couretsy: Jo Caimo, Foto: Ed Jansen

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David Helbich, Audio Guide for Eupen, 2016, Foto: David Helbich