Arthur Cordier behandelt Werbung so, wie Werbung den öffentlichen Raum behandelt.

FREE COFFEE** NO SMARTPHONE FOR ETERNITY ist Arthur Cordiers erste Einzelausstellung in einem Museum. Für ihre gesamte Dauer stellt der Künstler dem IKOB Büropflanzen und kostenlosen Kaffee zur Verfügung und verwandelt so die öffentlichen Räume der Institution auf ironische Weise in einen einladenden Ort von verwertbarer Effizienz. Die analytische und spielerische Herangehensweise des Künstlers an Themen wie Arbeitszyklen, Werbung oder Konsum zieht sich durch alle Elemente der Ausstellung. Cordier ist fasziniert von fadenscheinigem Motivationsmanagement, den Eigenheiten von Unternehmensrhetorik und selbstlegitimierenden Wirtschaftlichkeitsanalysen – wobei letztere den Titel der Ausstellung inspiriert haben.

Die Schau umfasst eine aktualisierte Version von Kunst_planten (2021–22), für die Arthur Cordier Büropflanzen von Kreativagenturen aus ganz Belgien ausleiht und sie in die Räumlichkeiten des IKOB transplantiert; die Besucher:innen sind eingeladen, sie zu gießen. Genau wie Kaffee wird auch Pflanzen nachgesagt, dass sie zur Steigerung der Produktivität und Zufriedenheit von Arbeiter:innen beitragen. Durch die Verlagerung in den Museumsraum werden die Unternehmen selbst jedoch möglicherweise weniger effizient, indem sie ihre „Produktivkraft“ verleihen. Diese subtilen Transfers von solch immateriellen Ressourcen wie Effizienz, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gehören zum besonderen Geschick des Künstlers.

Der Vinyl-Schriftzug auf der Fassade des Museums fungiert gleichzeitig als Titel, Versprechen und Einladung an die Besucher:innen, denen kostenloser Kaffee versprochen wird, wenn auch mit einem Haken: das Heißgetränk – der Treibstoff von Büroangestellten weltweit – wird dem Publikum durch eine Reihe von ebenfalls ausgeliehenen Maschinen ausgeschenkt, eine Arbeit mit dem Titel Cofficeïne and Photosynthesis (2022). Die Becher bleiben jedoch an der jeweiligen Maschine befestigt und schränken die Bewegungsfreiheit der Besuchenden für die Dauer des Kaffeekonsums ein (wenn etwas gratis ist, ist der:die Nutzer:in das Produkt). Der Kaffeesatz wiederum wird gesammelt und als Dünger für Büropflanzen in den Museen und Institutionen der Region verwendet.

Cordiers Praxis ist stark von der Unternehmenssprache geprägt, deren Allgegenwärtigkeit und Absurdität er oft entlarvt. Der Titel der Ausstellung ist eine Anspielung auf eine Studie über die Opfer, die Büroangestellte angeblich bereit wären zu erbringen, um nicht auf ihren täglichen Kaffee verzichten zu müssen; eine himmelblaue Wand in der Ausstellung dient als Tarnung für Motivationssprüche zur Optimierung von Management und Effizienz. Die Serie von „Landschaftsbildern“ des Künstlers spricht indes weniger artikulierte Aspekte unserer Konsumwirtschaft an. Sie bestehen aus aufgespannten Lkw-Planen und sind ein Verweis auf die genauso unverzichtbare wie unsichtbare Arbeit im Transport- und Logistikgewerbe.

Die Arbeit des Künstlers und seine Ausstellung im IKOB sind durch den Wunsch motiviert, der Effizienz der Werbung entgegenzuwirken und kommerzielle Strategien mit ihren eigenen Waffen zu schlagen – oft in einer parasitären Weise, die ihre Logik ins Leere laufen lässt. Das Wort "plant" steht im englischen Sprachgebrauch sowohl für den lebenden Organismus, der sich durch Photosynthese auszeichnet, als auch für einen Standort, an dem industrielle oder produktive Arbeit stattfindet. Die Ausstellung lenkt die Aufmerksamkeit auf unsere zyklischen Beziehungen zu Pflanzen und Kaffee und hinterfragt den Begriff des Wachstums gleichzeitig als botanischen Begriff und als Wunschvorstellung wirtschaftlicher Entwicklung.

Diese Einzelschau ist eine Fortsetzung einer der Very Contemporary-Künstlerresidenz in Zusammenarbeit zwischen Greylight Projects (Heerlen, NL) und dem IKOB. Von September bis November 2021 wurde Cordier dazu eingeladen, eine eigene Recherchemethode zu entwickeln, die eine neue Perspektive auf die Besonderheiten der Euregio-Maas-Rhein bietet und auf die Entfernungen, Landschaften und Grenzen reagiert, die das Very Contemporary-Netzwerk ausmachen.

Diese Ausstellung wird mit Unterstützung von Mondriaan Fonds und Very Contemporary realisiert.

ARTHUR CORDIER (*1993, BE, lebt und arbeitet in Den Haag, NL) setzt sich in seinen Arbeiten mit der Ästhetik von Bürokratie, Unternehmertum und Effizienz auseinander, deren Bezüge er in situations- und kontextspezifischen Werken zum Ausdruck bringt. Seine Arbeiten hinterfragen oft das Wesen der künstlerischen Praxis in Bezug auf die Verstrickungen von Ökonomie und Kunst in einer von wirtschaftlicher Produktivität getriebenen Gesellschaft. Zusätzlich zu seiner Praxis ist er Mitinitiator des Atelier- und Projektraums The Balcony in Den Haag (NL) und arbeitet als Gastkurator für Art au Centre Liège (BE).

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Ausstellungsansicht, Arthur Cordier, FREE COFFEE** NO SMARTPHONE FOR ETERNITY, © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst, Foto: Lola Pertsowsky