Die Meinungen über Julian Assange, den Gründer der Enthüllungsplattform "Wikileaks" gehen weit auseinander. Für die einen ist er ein Held, der die Mechanismen der globalen Überwachungsindustrie aufdeckte, die unsere Welt in Geiselhaft genommen hatte. Für die Anderen ist er ein Spion, ein Desinformationsspezialist und ein Verbrecher, der die USA im Auftrag fremder Mächte destabilisierte, geheime Informationen an die Feind:innen der westlichen Zivilisation verriet und damit zahlreiche Menschenleben gefährdete. Für den griechischen Künstler Miltos Manetas ist Assange neben allen politischen, freiheitlichen und philosophischen Fragen auch und zunächst ein Auslöser für Kunst. An jedem Tag, den Assange in Haft verbringt, fertigt er ein Werk – ein Gemälde, eine Zeichnung oder eine Collage, und postet sie auf seinem privaten Facebook-Profil. Wer zuerst darauf reagiert bekommt das Werk, das zumeist ein Portrait Julian Assanges schmückt. Das persönliche Schicksal Assanges und seine Bedeutung für die globale Diskussion über Gerechtigkeit, Freiheit und Aufklärung wird durch diese Aktion ständig am Leben erhalten. Persönliche Gespräche mit den neuen Besitzer:innen seiner Arbeiten sind Teil seines künstlerischen Prozesses und werden von Manetas gezielt provoziert.

Für seine Ausstellung ASSANGE SITUATION – EMERGENCY im IKOB – Museum für Zeitgenössische Kunst, hat Miltos Manetas 30 neue Bilder gemalt. Jeden Tag kann ein:e Besucher:in sich eines der Bilder aussuchen und dies sofort und ohne Umschweife mit nach Hause nehmen, nach dem Prinzip „first come first serve“. Das letzte Bild, 430 days in prison (2020), wird am Ende der Ausstellung Teil der Sammlung des IKOB. Somit wird die Ausstellung mit jedem Tag kleiner, bis sie am letzten Tag ganz verschwindet. Der Künstler möchte damit bewusst auf das Verblassen einer öffentlichen Diskussion aufmerksam machen. Gleichzeitig verlagert sich das öffentliche Bild Assanges und damit seine fortwährende Geschichte in den Privatraum derjenigen Menschen, die das Bild aus den unterschiedlichsten Gründen mit zu sich nach Hause genommen haben. Die neuen Besitzer:innen werden gebeten, das Bild in ihrem neuen Umfeld zu fotografieren und auf Facebook oder Instagram zu teilen. Mit allen Besitzer:innen wird zudem ein Zoom-Gespräch vereinbart, in dem die Themen der Ausstellung diskutiert werden können. Kunst wird zum Vehikel der Diskussion und zu einem wirkmächtigen Auslöser eines Bekenntnisses zu Menschenrechten, zu Pressefreiheit und zur Demokratie. Das IKOB – Museum für Zeitgenössische Kunst möchte damit ihrer Aufgabe als Anstifterin für Diskussionen vor allem in Zeiten gerecht werden, die unsere demokratische Auffassung von Meinungs- und Pressefreiheit stark herausfordern.

Weitere Informationen zu dem Projekt finden Sie unter:
Miltos Manetas Instagram
Condizione Assange Instagram
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Ausstellungsansicht, Miltos Manetas, ASSANGE SITUATION - EMERGENCY, © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst, Foto: Ludovic Beillard