Veronika Eberhart präsentiert in dieser Einzelausstellung ihren Film Garten sprengen (2022) zusammen mit einer neuen Reihe von skulpturalen und fotografischen Arbeiten, die als Ausgangspunkt die Biografie des Komponisten Hanns Eisler (1898 – 1962) haben. Charakteristisch für Eberharts Werk ist ein nach innen gekehrter Blick gepaart mit einer nach außen gerichteten, ausufernden Spurensuche. Die Künstlerin und Musikerin wurde 1982 im österreichischen Bad Radkersburg geboren und lebt und arbeitet in Wien. Eberhart studierte zunächst Soziologie bevor sie ihren Weg in die visuellen Künste fand. Ihr Œuvre basiert auf gründlicher Recherchearbeit, im Zuge derer sie spezifische historische Referenzen zu komplexen Gefügen zusammenführt, die von Videoarbeiten über Skulpturen bis hin zu Installationen reichen. Auch wenn ihre Werke oftmals in konkreten Orten verankert sind, bleibt das in ihnen entwickelte Zeitgefühl uneindeutig.

Ihr Film Garten sprengen entlehnt seinen Titel von einem gleichnamigen Gedicht Bertolt Brechts aus dem Jahr 1942, das von Hanns Eisler vertont wurde. Zu dieser Zeit befanden sich Brecht und Eisler, die bereits seit 1930 eng zusammenarbeiteten, gemeinsam mit vielen europäischen Intellektuellen im Exil in Kalifornien. Sie lagen am Strand und brüteten über das ferne Blutbad des zweiten Weltkrieges. Besonders der Anblick der vielen Parks und Gärten, die zum Überleben mitten in der Wüste große Mengen an Wasser und teure Bewässerungssysteme benötigen, erfreute und beunruhigte sie gleichermaßen.

Wie das Grün war auch Brecht ein unwahrscheinlicher Bewohner von Los Angeles. Und es sollte nicht lange dauern, bis seine und Eislers Unterstützung für den Kommunismus ihnen in ihrer Wahlheimat Probleme bereiteten. Ab 1943 standen sie und ihr Kreis europäischer Intellektueller unter ständiger Beobachtung durch das FBI, die sich in den folgenden Jahren mit dem beflissenen Antikommunismus der McCarthy-Ära noch verstärkte. 1947 wurde Eisler vom House Committee on Un-American Activities (Komitee für unamerikanische Umtriebe, kurz HUAC) verhört und sowjetischer Agententätigkeit bezichtigt. Ein Jahr später wurde er des Landes verwiesen, kehrte nach Wien zurück und ließ sich später in der DDR nieder. Hier komponierte er schließlich „Auferstanden aus Ruinen“, das zur Nationalhymne der jungen Republik wurde.

Garten sprengen spielt dort, wo die ersten geheimen HUAC-Anhörungen Eislers stattfanden: im Biltmore-Hotel in Los Angeles. Elf Stockwerke hoch und einen halben Häuserblock einnehmend war das Hotel mit seinen verschiedenen Ballsälen unter anderem Schauplatz für verschiedene Hollywood-Filme und Oscar-Verleihungen. Der Blick von Eberharts 16-mm-Kamera auf die kaskadenartigen Treppenanlagen, die ornamentalen Teppichmuster und die weitläufigen Speisesäle des Hotels verbindet die symbolische Besonderheit des Biltmore mit den übergreifenden Themen, die Eislers Biografie und seine Zeit in Los Angeles prägen: das Exil, die Bedrohung durch die Zensur und die Frage nach der Versöhnung von Kunst im Kapitalismus mit der Sehnsucht nach Revolution. Zusätzlich zum Film zeigt die Ausstellung auch neue Skulpturen und Fotografien, die jeweils Artefakte und Gesten aus Garten sprengen aufnehmen und interpretieren. Obwohl die Abstraktion ihnen das Gefühl von Zeitlosigkeit verleiht, spielen sie auf konkrete Objekte an, die mit Hanns Eislers Werk verbunden sind.

Eislers Biografie, und Zensur in diversen historischen Epochen wirft auch die Frage auf, was „freie“ und „unfreie“ Kunst ausmacht – eine politisch motivierte Binarität aus der Zeit des Kalten Krieges, die im Lichte aktueller globaler Ereignisse ihre gesellschaftliche Relevanz beibehält. Wie Brecht und Eisler es bereits in einer ihrer berühmtesten gemeinsamen Kompositionen, dem Solidaritätslied von 1931, fragten: „Wessen Morgen ist der Morgen? / Wessen Welt ist die Welt?“

Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Phileas - The Austrian Office for Contemporary Art produziert und von dem Kulturministerium Österreich und dem Österreichischen Kulturforum Brüssel unterstützt. Die Publikation zum Projekt Garten sprengen und der IKOB-Ausstellung erscheint im März 2024 im Verlag Spector Books.

VERONIKA EBERHART (*1982 in Bad Radkersburg, Österreich) verfolgt bei ihrem künstlerischen Schaffen einen disziplinenübergreifenden Ansatz, der Video, Klang, Performance und Skulptur kombiniert. Ihre Arbeiten wurden in Institutionen wie im Belvedere 21 in Wien, in der Kunsthalle Wien, im Kunstraum Niederösterreich, CalArts, Los Angeles, und Mackey Garage Top des MAK Center, Los Angeles ausgestellt.

Hier geht’s zum IKOB-Podcast apropos zur Ausstellung "Veronika Eberhart: Garten sprengen".

dsc8754_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8780_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

filmstill_eberhart_garten_sprengen_3-kopie

Veronika Eberhart, Garten sprengen, 2022. Filmstill. Courtesy of the artist

1dsc9378_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

1dsc9389web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8805_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

filmstill_veronikaeberhart_garten_sprengen_1-kopie

Veronika Eberhart, Garten sprengen, 2022. Filmstill. Courtesy of the artist

dsc8735web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8863_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8861_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8901_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8893_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8911_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8928_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8902_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8926_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8880_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8941_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc8948_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc9375_v2_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc9374_v2_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc9373_v2_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky

dsc9377_v2_web

Ausstellungsansicht, Veronika Eberhart: GARTEN SPRENGEN, 2023 © IKOB - Museum für Zeitgenössische Kunst. Foto: Lola Pertsowsky